Die
Sprengung von Gomagoi |
|
... |
|
...
So fahren wir denn – da wir der Front doch gern näher kommen wollen – mit dem Lastauto nach Trafoi. Diesmal ist es nicht ein so pfeilschnelles Ding, wie jenes, das uns von Bozen gebracht hat, denn hier bracht man alle tüchtigen Maschinen sehr dringend dazu, Munition nach oben (zur Front des Stilfserjoch, meine Anmerkung) zu bringen, sondern es ist ein gemütliches altes Haus, dass schwer ächzt und stöhnt und richtig im Regen stecken bleibt, glücklicherweise gerade bei einer Werkstätte, wo der zerrissene Ventilatorriemen repariert werden kann. Unsere Gummimäntel beweisen wieder einmal, dass sie nur in trockenem Wetter verwendbar sind. Der Regen geht durch bis auf die Haut, und eine hübsche Weile braucht es, bis das alte liebe Lastauto wieder zum Leben erwacht. Aber die Zeit wird mir nicht lang. Denn ein Kontrast gibt es hier zu schauen, der als erstes Kriegsbild unverrückbar in meiner Seele haften wird. Das liebliche Dörfchen (Gomagoi ist damit gemeint, meine Anmerkung), das hier lag, existiert nicht mehr. Während wir satt und sicher im Hinterlande sassen, haben andere Menschen stillschweigend ihr ganzes Dasein für das Vaterland hingegeben. Für alle Wiener wäre es ein lehrreiches Bild, solch ein gesprengtes Örtchen zu sehen. Ein Tischfuss ragt aus den Trümmern und drüben ein Stückchen bemalte Zimmerwand. Alles Heimliche ist dem kalten Blick preisgegeben, alles Glück ist verweht. Und daneben steht, aus wuchtendem Granit erbaut, mit unzugänglich abgerundeter Glätte: das Werk. Die Strasse führt mitten durch die Festung, die Sie am Halse einschnüren kann, wie eine gepanzerte Hand. Stacheldrahtzäune laufen von ihr weg quer über das Tal. Aber mag auch die Festung lauernd daliegen und drohen – sie bekommt’s doch mit keinem Feind zu tun. Bis hierher dringt der ja nie. Um die Gesamtheit zu schützen, muss dem Einzelnen wehgetan werden, die Festung ist stärker denn je, das Dort ist verschunden. Der Riemen ist endlich fertig, das Auto schnaubt wieder
und jetzt am ersten Tag meiner Fahrt, lerne ich sofort begreifen, was
es heisst: „C’est la guerre“. Kaum rollt der Wagen um
die Kurve herum, ist auch schon die traurige, blaugetünchte Zimmerdecke
vergessen. Wir lachen wieder. Eine sentimentale Lüge wär’s,
wollte ich’s leugnen. Denn heute galt es jenen, nicht uns. Ja, wir
lachen jetzt sogar herzlicher als je. Denn wer kann wissen, wann es ihm
gelten wird.
Auszug aus dem Buch Tirol in Waffen von Alice Schalek S. 20 – 22 Alice Schalek war eine, und die einzige, Kriegsberichterstatterin auf österreichischer Seite. Sie besuchte die Front am Stilfserjoch kurz nach dem 21. Juli 1915. Ihr Buch wurde im gleichen Jahr veröffentlicht. |
|
Die Talsperre von Gomagoi wurde mit mehrfachem Drahtverhau gesichert. Auf der rechten Seite sind die gesprengten Häuser zu sehen. Quelle: Buch Das Fähnlein von Trafoi S.53 Mit freundlicher Erlaubnis von Reinhard Ortler |
|
Weitere
Informationen über das Werk von Gomagoi findest du unter folgendem
Link: www.it-au-1915-1918.com/werk_gomagoi_1.htm |
|